Marathon unter 2:00 Stunden?
Nikes Sub-2:00 Hours Projekt durchleuchtet

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Nike Sub-2:00 Hours Project
Eine Analyse zwischen Hype und Realität
 
Autor und Copyright: Herbert Steffny - erschienen auch auf Laufreport.de 
(27.4.2017 und 6.5.2017) - Sie können gerne hierhin verlinken

Inhalt:

Kipchoge verfehlt Sub-2:00 knapp

Wann wird (wirklich) unter 2:00h gelaufen?

Monza - die Rekordläufer

Monza - die Strecke

Nikes Wunderschuh für die Elite...

...und "Blasen-Variante" für Freizeitläufer?

Meine Meinung ;o))

So läuft man Rekorde

Eliud Kipchoge Nike Laufschuh
Mit neuen Schuhen kann's auch schief laufen! Eliud Kipchoge machte bei seinem Sieg in Berlin
2015 einen krassen Amateurfehler und lief in neuen Schuhen. Die Einlagen kletterten raus. Nike
rüstet nun mit einem Super-Schuh auf und bläst in einer groß angelegten Werbekampagne
zum Angriff auf die 2:00 Stundengrenze. 

(Foto, Copyright: Herbert Steffny)


Retortenrennen - Kipchoge verfehlt Sub-2:00h knapp 
(6.5.2017)


Der von Nike mit viel Medienrummel, wissenschaftlichen Begleitprogrammen und den drei Top-Athleten Eliud Kipchoge, Lelisa Desisa und Zersenay Tadese heute morgen um 5:45 Uhr bei Vogelgesang in Monza gestartete Marathonlauf scheiterte beim Unterfangen die angepeilte 2:00 Stundengrenze zu unterbieten und somit in der vollmundigen Sprache der Marketingleute ausgedrückt: "Geschichte zu schreiben". Allerdings verfehlte der Olympiasieger Eliud Kipchoge mit 2:00:25 Stunden die Grenze nur denkbar knapp. Man musste kein besonderer Experte sein, um vorauszusehen, dass der 2:03:05 Stundenläufer der einzige im Trio war, der diesem Ansinnen auch nur annähernd nahe kommen konnte. Schade um den nicht regelkonformen Versuch des Kenianers, der damit zeigte, dass er den reelen Weltrekord in der Tat bei guten Bedingungen im Köcher hat. Da kann man hoffen, das der mit Abstand beste Marathonläufer unserer Zeit im Herbst in Berlin den geltenden Weltrekord angreift, statt wie heute - allerdings hoch bezahlt - ihm Nike-Privat-Zirkus aufzulaufen. Die Öffentlichkeit war vor Ort bis auf VIPs, Trainer, Firmenangestelle, Betreuer usw. ausgeschlossen, das Rennen fand vor einer regelrechten Geisterkulisse vor fast leeren Tribünen auf einem 2,4 Kilometer Rundkurs statt. Nike sorgte für einen Live-Stream, den auf Youtube zwischen 30.000 und 50.000 Zuschauer anklickten. 


Die Zeit, die rund zweieinhalb Minuten unter dem offiziellen Weltrekord von Dennis Kimetto liegt (2:02:57 Stunden, Berlin 2014) kann nicht anerkannt werden, da unter anderem das pfeilförmig vor den Stars laufende Tempomacher-Sextett bis zum Zielstrich immer wieder ausgetauscht, Verpflegung von mitfahrenden Betreuern angereicht wurde und eine Pacer-Fahrzeug windschattenspendend direkt vor den Läufern herfuhr. Das dürfte natürlich durchaus einen 2:00 Minuten Vorteil ausmachen, zumal es bei dieser Konstruktion auch nicht wie in einem regulären Rennen zu Taktierereien um den Sieg kam. Zudem befinden sich in dem gelaufenen Nike Schuh Nike Zoom Vaporfly 4% Elite irgendeine geheimnisumwitterte Technik, die eventuell nicht regelkonform ist, aber den Markt anheizt. Das macht den Schuh natürlich um so interessanter und Nike wird sich die aufwändige Inszenierung, die 30 Millionen Dollar gekostet haben soll, hinterher durch den Schuhverkauf eines abgespeckten namensähnlichen Modells (ohne den Zusatz "Elite") von den Kunden mehr als rückfinanzieren lassen. 



Bei diesem "Retortenrennen" versuchte man alle Bedingungen zu optimieren. Die sehr flache Strecke des Formel-1-Kurses bei Mailand mit Top-Asphalt soll offiziell vermessen sein. Sie hat drei Meter Höhenunterschied je Runde und ist in einem Park, der von sauerstoffspendenden und windabhaltenden Bäumen umsäumt ist. Das Pacer-Car, ein Elektrofahrzeug, fuhr extrem gleichmäßig vor der Gruppe her. 18 Hasen in drei Gruppen, die sich rundenweise abwechselten, verringerten ebenso den Windwiderstand, der bei über 20km/h schon eine Rolle spielt. Ein Beamer projezierte in der Dämmerung eine Linie auf den Asphalt, hinter der die Pacer zu laufen hatten. Was man hoch-wissenschaftlich herausgefunden hat, ist teilweise ziemlich trivial: dass z.B. eine gestaffelte Pfeilform der Tempomacher (vorne einer, dahinter zwei und dann drei Hasen vor den Stars) aerodynamisch am besten ist, braucht kein Hochschulstudium. Dass Eliud Kipchoge nach den Laufbandtests sich als der Beste erwies, hätte man auch einfach in der Weltbestenliste ablesen können. Aber Wissenschaft verkauft sich immer gut... (Entschuldigung, ich bin selbst Wissenschaftler ;-)). Die nicht beeinflussbaren Wetterbedingungen waren mit 11 Grad bei nahezu Windstille traumhaft. Hier die Zwischenzeiten von Kipchoge:


km

Zeit

proj.Endzeit

Schnitt/5k-Abschnitt

5 k Abschnitt

5

0:14:14

2:00:07

0:02:51

0:14:14

10

0:28:21

1:59:37

0:02:49

0:14:07

15

0:42:34

1:59:44

0:02:51

0:14:13

20

0:56:49

1:59:52

0:02:51

0:14:15

21,1

0:59:57

1:59:53



25

1:11:03

1:59:55

0:02:51

0:14:14

30

1:25:20

2:00:01

0:02:51

0:14:17

35

1:39:37

2:00:06

0:02:51

0:14:17

40

1:54:04

2:00:20

0:02:53

0:14:27

42,195

2:00:25

2:00:25

0:02:54

0:06:21


Kipchoge nahm das Rennen offensichtlich sehr ernst, lief von Beginn an sehr fokusiert immer in den Kurven innen, während Tadese eher auf "Bahn 2" wertvolle Meter verschenkte. Beim Kenianer ließen die Kräfte erst nach 35 Kilometern etwas nach. Zu einem befürchteten Einbruch kam es aber nicht, was für die Klasse des von dem Hindernis-Olympiazweiten Patrick Sang betreuten Athleten spricht. Die beiden anderen Kontrahenten liefen das Rennen immer noch Hasen-begleitet durch. Der Weltrekordler über die Halbmarathon Distanz Zersenay Tadese aus Eritrea musste bei 20 Kilometern abreissen lassen, rettete sich aber noch ordentlich in 2:06:51 Stunden in neuem Hausrekord, wenn es denn ein offizielles Rennen gewesen wäre. Seine regelkonforme Bestzeit ist "nur" 2:10:41 Stunden. Lelisa Desisa, zweifacher Boston Marathon Sieger und ein 2:04:45 Stundenläufer aus Äthiopien, traf dagegen angesichts des für ihn viel zu schnellen Anfangstempos der Mann mit dem Hammer. In 2:14:10 Stunden trudelte er nur noch joggend über die Ziellinie. Ihm hat der "schnelle Schuh" Nike Zoom Vaporfly 4% Elite offenbar nicht die versprochenen 4% Leistungssteigerung gebracht ;-)).

Nike wird das Ganze natürlich als Erfolg vermarkten. Man bot aus dem gesponserten Athleten Arsenal von Co-Kommentatorin und Marathon Weltrekordlerin Paula Radcliffe über Interview Partner Sprintstar Carl Lewis bis zu Zielbanner-Halterin und Marathon Olympiasiegerin Joan Benoit-Samuelson alles auf was bei Nike Rang und Namen hat. Mal sehen, ob sich die Läuferschar nun um das "Volksmodell" des Superschuhs schlagen wird. 250 US-Dollar soll der abgespeckte Treter kosten.... puhhhh!!! Und die Verbände müssen sich umschauen, dass ihnen nicht noch mehr privat veranstaltete Großevents im Stile von "Tough Guy, Brave Heart Battle, Wings for Live World Run" und nun auch noch "Pseudo-Weltrekordversuche" zunehmend Konkurrenz machen. Eliud Kipchoge selbst war hinterher durchaus zufrieden und bedankte sich beim Helferteam, das ihn dann auch herzlich hochleben ließ. Sieben Monate hatte er sich akribisch auf diesen "Rekordlauf" vorbereitet. Sein Motto: Nothing is impossible, this is not my chance, this is my choice! Diese determinierte Einstellung hat ihn zu einem der größten Langstreckenläufer aller Zeiten gemacht. Nun hat er schon mal in Monza Weltrekordluft geschnuppert. Ich wünsche ihm dann bei einem reelen Versuch in Berlin viel Glück. Da ist die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen und ich werde vor Ort sein.





Eliud Kipchoge Rio Olympia
Olympiasieger Eliud Kipchoge, aus Kenia, der derzeit weltbeste Marathonläufer gibt sich für das nicht regelkonforme Nike Sub-2 Hours Projekt in Monza her.
.
Vorberichte:

(27.4.2017)

Wann wird (wirklich) unter 2:00 Stunden gelaufen?

Am 6., 7. oder 8. Mai soll im italienischen Monza ein medial hoch gehypter Versuch von Nike gestartet werden die magische 2:00 Stunden Grenze im Marathonlauf bei den Männern zu unterbieten. Eigentlich ist das erst im Jahre 2029 wahrscheinlich, wie meine Analysen unten zeigen, aber Nike ist der Zukunft natürlich schon voraus. Den momentanen offiziellen Weltrekord hält  Dennis Kimetto mit 2:02:57 Stunden (Berlin 2014). Eines vorweg, die Monza-Zeit wie auch immer sie ausfallen sollte, wird nicht offiziell anerkannt werden, da eine Reihe der Rahmenbedingungen das Ziel möglichst zu realisieren nicht regelkonform sind. So soll ein Führungsauto und sich abwechselnde Tempomacher für Windschatten sorgen, in dessen Sog die aufgebotenen drei Starläufer die Barriere unterbieten sollen. Der Faktor dürfte ein entscheidender sein, weniger der Schuh, aber die Industrie sieht das natürlich anders. Mit der Wahl des Datums kokettiert man übrigens auch mit dem 63. Jahrestag (6.5.1954), an dem Roger Bannister erstmals die magische 4:00 Minuten Grenze im Meilenlauf unterbot.

 

Marathon unter 2:00 Stunden
Hält der derzeitige Trend der Weltjahresbestzeit bei den Männern an, so wird erst im Jahre
2029 regelkonform die 2:00 Stundengrenze unterboten. Zum Vergleich der rückläufige
Trend der deutschen Marathonläufer seit den 90er Jahren. (Quelle: Herbert Steffny)


Die drei Protagonisten

Nike bietet dazu aus seinem gesponserten Athletenarsenal drei Starläufer auf und läßt sich das einiges kosten, denn Olympiasieger Eliud Kipchoge aus Kenia (Bestzeit 2:03:05 Stunden, London 2016), der einzige Läufer im Team, dem ich „legal“ einen Weltrekord im Bereich von 2:02:45 Stunden zutraue, hat sicherlich einen lukrativen Start in London als Titelverteidiger abgesagt, der ihm alleine als Antrittsgeld mindestens 250.000 Euro eingebracht hätte. Ein wenig wundert es mich, warum ein so integrer Athlet mit bisher klaren Zielen den (legalen) Weltrekord zu unterbieten, sich auf so einen Rummel einläßt. Klar wird er dafür vom Sponsor fürstlich entlohnt, aber wieviel Versuche hat man auf dem Zenit der Leistung einen Weltrekord zu laufen? Da die Weltmeisterschaft im Sommer offenbar für Kipchoge kein Thema ist, bleibt zu hoffen, dass der momentane Dominator der Marathonszene im Herbst in Berlin wieder seiner sportlichen Linie treu wird und dort versucht Kimettos Marke regelkonform zu unterbieten.

Wer läuft noch? Der vierfache Halbmarathon Weltmeister und Weltrekordler Zersenay Tadese (58:23 Minuten, Lissabon 2010) aus Eritrea ist sicherlich nicht mehr in der nötigen Form und ist im Marathon übrigens nie über 2:10:41 Stunden (London 2012) hinaus gekommen. Der Dritte im Bunde ist der Äthiopier Lelisa Desisa (Bestzeit 2:04:45 Stunden, Dubai 2013). Er gewann nach Dubai noch den 2013er „Bomben-Marathon“ in Boston (2:10:22 Stunden), stieg im Folgejahr aber aus, siegte wiederum 2015 (2:09:17 Stunden) und belegte 2016 den zweiten Platz (2:13:32 Stunden). 2013 wurde er in Moskau Vizeweltmeister im Marathonlauf. Er ist aber offenbar auch nicht mehr in der Form im Bereich 2:04 Stunden zu laufen.

 

Der Tatort - die Strecke in Monza

Der Formel-1 Rundkurs „Autodromo Nazionale Monza“ bei Mailand ist 2,4 Kilometer lang, hat superglatten Asphalt und wird 17,5-mal durchlaufen. Es soll IAAF-zertifiziert sein und liegt 183 Meter über dem Meeresspiegel. Die zu erwartenden durchschnittlichen Wetterbedingungen sind ideal bei rund 12 Grad Celsius, niedriger Luftfeuchte bei eher bedecktem Himmel und schwachem Wind bei ca. 4 km/h.  Die drei angesetzten Tage 6. bzw. 7. oder 8. Mai sollen bei ungünstigen Bedingungen eine Ausweichmöglichkeit bieten. Eigenartig: die Öffentlichkeit soll laut Presseerklärung beim Rennen  ausgeschlossen bleiben, das Spektakel aber soll über einen Live-Stream zu sehen sein.


Autodromo Monza
Das Autodromo in Monza, ein windgescützter Baum-umstandener 2,4 Kilometer Rundkurs ist
die Austragungsstätte des Sub-2:00 Hours Nike Projects.

Unmögliches möglich mit Energie Rückgabe und Velocity-Red?

Bei Nike möchte man natürlich „Geschichte schreiben“ und hilft dem Projekt – wer hätte es gedacht – mit Schuhen auf die Sprünge. Hier die offizielle Verlautbarung: „Um das Unmögliche möglich zu machen, tragen Lelisa Desisa,  Zersenay Tadese und Eliud Kipchoge Schuhe von bisher nie dagewesener technologischer und sportlicher Performance.“  Neuartig, na klar und individuell maßgeschneidert und leistungsdiagnostisch nach Sauerstoffverbrauchsmessungen optimiert. WOW!  Und jetzt lasse ich die PR-Abteilung von Nike weiter sprechen: Kernstück dieses Schuhs ist eine ultra-leichte und ultra-reaktionsfreudige Nike Zoom Vaporfly 4% Mittelsohle. Die Energierückgabe des Nike ZoomX ist größer als bei jedem anderen Schaummaterial, das Nike jemals in einem Sportschuh verwendet hat. Dieser Schaumstoff entwickelt seine volle Performance in Kombination mit einer unidirektionalen Carbonplatte, deren spezifische Geometrie den Vortrieb bei jedem einzelnen Schritt noch weiter steigert.“ Klingt gut was? 13% mehr Energierückgabe soll das Wundermaterial aufweisen.

Nike Zoom Vapor Fly 4%
Der Schuh Nike Zoom Vaporfly 4% soll es richten! Sieht gar nicht soooo schnell aus,
aber das Argument Velocity Red hat mich voll überzeugt!!! Allerdings erhält der Kunde
im Laden für schlappe US$ 250 nicht das in Monza gelaufene Elite-Modell, wie uncool!


Es wird noch High-techiger: „Schuhe… im Windkanal aerodynamisch optimiert, um den Luftwiderstand zu minimieren.“ Glatt ist die Oberfläche ja nicht, aber vielleicht hat man den Widerstandsbeiwert Cw der Oberfläche wie beim Golfball mit kleinen Dellen optimiert? Der Glaube versetzt Berge, aber auch selbst die Farbe wurde leistungsfördernd optimiert: „Die einzigartige Farbpalette des Breaking2-Projekts in Velocity Red, Chrome Blue und Stealth Grey wurde von dem Ort inspiriert, an dem dieses historische Ereignis stattfinden wird, und sie verkörpert Geschwindigkeit und Konstanz gleichermaßen.“ Donnerwetter, Velocity Red! Selbst die rot-blau-graue Farbgebung der Schuhe der drei Breaking2-Protagonisten machts offenbar und steht dann auch in allen Nike Running Produkten den (dafür kräftig zahlenden) Freizeitsportlern zur Verfügung. Und jetzt nochmals die PR-Abteilung: „Die Schuhe der Breaking2-Läufer sind eine Revolution, nicht nur bei Nike, sondern für den gesamten Sport.“


Für Freizeitläufer nur abgespeckte "Blasen-Variante"?

Wird das Laufen nun neu erfunden? Der Wunderschuh heißt Nike Zoom Vaporfly 4%, „…der schnellste Marathonschuh, den Nike jemals auf den Markt gebracht hat. Laut Labortests 4 Prozent bessere Ergebnisse in Puncto Laufökonomie als der bis dahin schnellste Marathonschuh von Nike der Zoom Streak 6.“ Man buhlt inbesondere um das leistungsorientierte Klientel der 2:XX bis 3:XX Stundenläufer. Die sollen dann auch mit dem geplanten happigen Preis US$ 250 für eine Volksmodellvariante des Elite-Schuhs das ganze Unterfangen im Nachhinein refinanzieren. Die für Kipchoge und Co. angefertigten Monza-Schuhe "Nike Zoom Vaporfly 4% Elite" , was auch immer sonst noch an Katapulten, Federn, Elektromotoren usw. darin versteckt sein mag, werden später nämlich nicht vertrieben. Sie werden nur den drei Läufern zur Verfügung gestellt. Nike steht in Konkurrenz mit den Mitbewerbern. So hat ADIDAS im Februar einen neuen Prototyp Adidas Adizero Sub2 seinem Star-Marathonläufer Wilson Kipsang angezogen, der dann auch den Tokio Marathon im Februar in der Weltjahresbestzeit 2:03:58 Stunden gewann (…in einem früheren Modell lief Kipsang in Berlin übrigens schon mit 2:03:13 Stunden schneller! ;-)). 

Keine gute Werbung für die neue Schuhserie kam vom London Marathon letztes Wochenende von einem anderen Super-Läufer. Mehrfach-Olympiasieger über 5.000 und 10.000 Meter, zugleich Weltrekordler über diese Distanzen und mit 2:03:03 Stunden der zweitschnellste Marathonläufer aller Zeiten Kenenisa Bekele lief mit dem Nike Zoom Vaporfly 4% und bekam Blasen an die Füße, was seine Leistung beeinträchtigte. Hatte es ihn vielleicht den Sieg gekostet? Zwei Tage später erklärte Nike schnell, dass es sich dabei nur um die Standardvariante, nicht den Elite Schuh der in Monza zum Einsatz kommt handelt. Na sowas? Heißt das, dass die Volkslaufvariante des Superschuhs Blasen verursacht? Na gut, Bekele hätte gefälligst mit den Schuhen vorher mal wie jeder Freizeitläufer einen Testlauf machen sollen. Den Amateurfehler hat er zumindest mit Eliud Kipchoge gemeinsam....




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Meine Meinung zu Sub-2 Hours


Rechnen wir mal nach: 4% ominöse Leistungssteigerung, aber nur für die Elite Variante oder für auch das Standard Modell? Egal... das würde für Eliud Kipchoge eine Verbesserung um 4:55 Minuten bringen, 4:59 Minuten für Lelisa Desisa. Die beiden brauchen doch dann eigentlich keine windbrechenden Führungsfahrzeuge und Wechselhasen. Sie würden auch regulär unter 2:00 Stunden laufen! Na ja, vielleicht macht man das, damit Zersenay Tadese auch noch unter 2:00 Stunden einkommt, denn bei dessen Bestzeit macht der Schuh nur 5:14 Minuten aus. Warum gab's diesen Wundertreter nicht schon 1986 - ich wäre ein 2:06 Stundenläufer gewesen... Weltrekord! Schade, aber für die heutigen Läufer die Gnade der späteren Geburt. Ein Freizeitläufer im Bereich 3:00 Stunden würde glatte 7:19 und der 4:00 Stundenläufer 9:36 Minuten schneller laufen. Frage... was ist eigentlich, wenn der Schuh dreckig wird und das Velocity Red nicht mehr ganz so gut zu sehen ist.... Wird der Schuh dann langsamer und um wieviel muss man dann Abstriche machen? Gibt es auch hier Unterschiede beim Elite und Standard Modell?

Die Austragungsstätte in Monza ist eigentlich kennzeichnend. Bei dem Technik-Reglement-Wirrwarr der Formel-1 zählt mehr das Auto und das technische Brimborium als der Mensch. Wenn Du nicht im richtigen Rennstall fährst, wirst Du nicht Formel-1-Weltmeister! Wenn schon windschatten-spendende Autos beim Monza-Lauf vorherfahren, warum nicht auch mit Ventilatoren ausgestattete Fahrzeuge hinter den Läufern, die sie vor sich herblasen? Beim Laufen dagegen ist der Mensch noch der entscheidende Faktor für eine sportliche Leistung, der Schuh spielt eine untergeordnete Rolle. Andere Industriezweige schreiben Nahrungsergänzungsmitteln, Nasenpflastern, Stützsocken oder gar Sportsonnenbrillen Leistungssteigerungen von 5-50 Prozent zu. Warum lief Haile Gebreselassie, Dennis Kimetto und Co. nicht mit Nasenpflastern, Sonnenbrillen und Stützsocken? Da wären doch – glaubt man der Industrie - locker mindestens 1:45 Stunden über 42,195 Kilometer in Berlin drin gewesen.

Also viel Werbegedöns, um in diesem Falle den Tretern mehr Aufmerksamkeit zu widmen…. Die entscheidenen Bedingungen sind selbstverständlich andere: Wetter und Kurs hatten wir schon erwähnt… effizient, fleißig und kontinuierlich trainiert muss man haben (Tipp: „Das große Laufbuch“ ;o)), die Körperfettwerte sollten bei Männern auf 5 bis 7 Prozent reduziert sein, die richtige Ernährung muss man in der Vorbereitung und im Rennen zu sich genommen haben, die richtige, gleichmäßige Renntaktik laufen usw…. altbekannte Dinge, die auch Nike und die Protagonisten nicht bestreiten und in Monza umsetzen wollen. Tatsache bleibt: es gibt nicht wirklich einen schnellen Schuh, sondern nur einen schnellen Läufer in einem passenden Schuh. Und last not least - für Weltrekord braucht es natürlich auch eine entsprechende genetische Veranlagung.


So läuft man Weltrekord oder persönliche Bestzeit

Zum Abschluss noch eine kleine Analyse zu den Rahmenbedingungen neben Training und Gewicht usw., die zu einer weiteren Leistungsverbesserung des regelkonformen Weltrekordes führen könnten. Natürlich gelten diese Kriterien auch zur Verbesserung des Hausrekordes eines Freizeitläufers:

  • Superschnelle Kursführung, wenig Ecken
  • Kursgefälle mit max. 42 Meter
  • Flacher schneller Asphalt
  • Mehr Rücken- als Gegenwind (im Wald gegen den Wind, auf offener Fläche mit dem Wind zurück)
  • Ideale Temperaturen bei 5 - 15 Grad
  • Geringer Windwiderstand (Kleidung, Haare etc.)
  • Windschatten: Hasen und Kooperation der Eliteläufer
  • Konstanter Rennverlauf
  • und damit mit den Schuhen nichts schief läuft… Eliud Kipchoge testet vorher seine Schuheinlagen ;o)) (s. Berlin 2015 und Bild ganz oben)

 

Wo sollten sonst weitere legale Leistungsverbesserungen herkommen? Lange Zeit war der Marathonlauf ein Wettkampf unter „Weißen“. Vereinzelt griffen v.a. Läufer aus Äthiopien in das Geschehen ein. Ein Katalysator hierfür waren die Olympiasiege von Abebe Bikila 1960 und 1964 in Weltrekordzeit. Das Talentreservoir wurde aber v.a. durch die Kommerzialisierung der Marathons mit Preisgeldern etc. in den letzten 25 Jahren in Afrika erschlossen. Kenianer z.B. liefen bis in die 80er Jahre fast keinen Marathon, doch die ersten großen (finanziellen) Erfolge eines Douglas Wakihuri (Weltmeister 1987) oder des Boston, New York und Honolulu Siegers Ibrahim Hussein haben in der Folge fast jedes Kind in Kenia motiviert es mit Laufen zu versuchen Geld zu verdienen. Während bei uns der „weiße Mann“ mittlerweile mehr oder weniger die Flinte ins Korn wirft und es beim Triathlon und Biathlon ohne Afrikaner versucht zum Erfolg zu kommen, sehe ich noch großes Afrika-Potential z.B. in Uganda und Tansania. Statistisch zu erwarten sind Rekordverbesserungen früher oder später, je mehr Talente es ernsthaft betreiben.

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