Ratgeber: Marathon - Alter und Leistungsgrenze?

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Copyright: Herbert Steffny

Marathontraining - Alter und Leistungsgrenze

Frage von Jörg F.:

Hallo Herbert,

seit 2003 bereite ich mich mit deinen Trainingsplänen auf Marathons vor. Deine beiden Laufbücher, "Perfektes Marathontraining" und "Das große Laufbuch", stehen bei mir im Schrank und werden auch immer wieder gerne herausgezogen. Inzwischen habe ich 11 Marathons erfolgreich absolviert. Meinen ersten Marathon bin ich mit deinem 3.30 Std. Plan in 3.43 Std. gelaufen. Meine letzten 4 Marathons lagen im bereich von 3.29 - 3.25 Std. Obwohl ich den Trainingsplan für 3.15 Std. voll durchziehen kann, kann ich diese Zeitvorgabe im Lauf nicht umsetzen. Mit dem 3.30 Plan laufe ich praktisch fast die gleichen Zeiten. Kann es sein, dass
ich aufgrund meines Alters (47 Jahre) in den letzten 2 Wochen vor dem Marathon nicht mehr richtig regenerieren kann? Ich wiege
80 Kg. bei einer Größe von 178 cm. Körperfettanteil zw. 14 und 15 Prozent. Außerdem habe ich eine sehr stark ausgeprägte
Oberschenkelmuskulatur (fahre auch noch sehr viel Rennrad und Mountainbike, ca. 7000 Km jährlich). Laut meinen Daten bei der
Leistungsdiagnostik wäre eine theoretische Laufleistung von 3.12 Std. drin.

Ich richte meinen Lauf nach einer Endzeit von 3.20 Std. aus. Dieses Tempo laufe ich auch problemlos bis Km. 32, 33 oder 34. Dann verläßt mich die Kraft. Ich orientiere mich sehr stark nach deinem Trainigsplan und laufe auch alle Intervalle in den von dir angegebenen Zeiten. Einzig die Halbmarathonzeit von 1.32,30 schaffe ich nicht. Hier schaffe ich 1:34er Zeiten. Hast du vielleicht einen Tipp für mich, durch welches Training ich zumindest die 3.20 knacken kann? Ich hoffe nicht, dass ich dafür zu alt bin.

Vielen herzlichen Dank.

Jörg F.

Antwort von Herbert Steffny:

Hallo Jörg,

grundsätzlich sind meine Marathonpläne im Bereich über 3:00 Stunden nicht für 20-jährige Supertalente geschrieben, sondern schon eher auf 35 bis 55-Jährige angepasst. Als mittlerweile ziemlich erfahrener Marathonläufer könntest Du an Deiner Leistungsgrenze selbstverständlich ein wenig individuell variieren. Die Regenerationszeiten können bei "Senioren" in der Tat länger dauern, das ist aber nicht nur eine Altersfrage, sondern auch eine Frage der Grundlagenausdauer, des Trainingsalters (also wie lange man schon kontinuierlich trainiert), hat aber auch erneut eine individuelle, genetische Komponente. Soll heißen: "alte Füchse" sollten in sich rein horchen und nach Fingerspitzengefühl selbst oder mit einem versierten Trainer auf der Basis von einem bewährten Basisplan ein wenig experimentieren.

Die Voraussage einer Leistungsdiagnostik ist natürlich immer nur vage. Laufband ist eben nur eine Simulation, die Hochrechnung von anaeroben Schwellen usw. immer nur eine Näherung gemittelter Statistiken. Nur der Wettkampf ist der wirkliche Test, bei dem z.B. das taktische Verhalten, die Lauftechnik auf der Straße, das Umgehen mit Adrenalin, Getränke, und Verpflegung, Equipement usw. ebenfalls in das Ergebnis einfließen. Daher sind in meinen Plänen auch immer die Testwettkämpfe eingeplant. Wenn der Halbmarathon auch nicht ins Zeitfenster für 3:15 bis 3:20 passt, ist natürlich die Frage, ob eine schnellere Zeit als Deine bisherige Marathonbestzeit überhaupt drin ist. Vielleicht trainierst Du einfach immer einen etwas zu hoch gegriffenen Plan? Natürlich musst Du auch damit rechnen, dass Du mit 47 Jahren Deinen Zenit bereits überschritten hast (ging mir ja auch so...;-)).

Meine Empfehlung:

Zu 3:15 solltest Du im Vorfeld ca. 1:32 Stunden im Halbmarathon und 41:45 Minuten im 10k Rennen schaffen. Bist Du davon deutlich entfernt, bin ich mir nicht so sicher, ob Dein Ziel 3:15-3:20 Stunden grundsätzlich realistisch ist. Natürlich könnte an der Leistungsgrenze wie schon angedeutet ein Trainingswechsel, bzw. neue Elemente auch dann noch etwas bringen. Das kann für Marathon z.B. etwas mehr Tempodauerläufe sein (80-85% HFmax), eventuell auch mehr Intervalltraining im leicht anaeroben Bereich (1000er), obwohl gerade Letzteres bei den meisten älteren Läufern nicht ganz so viel bringt wie viele hoffen, sondern eher die Regeneration deutlich und unnütz verlängert und natürlich die Verletzungsrisiken steigert. Auf Seniorentraining gehe ich im Großen Laufbuch ebenfalls in einem eigenen Kapitel ein. Eine weitere Möglichkeit ist Berglauftraining (Kraftausdauer, s. ebenfalls im Großen Laufbuch), was auch auf einem Laufband im Flachland durchführbar ist. Weiterhin mehr lange Läufe integrieren als im Standardplan vorgesehen und natürlich den Gesamtumfang erhöhen (z.B. einen Dauerlauf an einem Zwischentag mehr als im Plan vorgesehen hinzunehmen oder bei gleicher Zahl von Trainingseinheiten in der Woche einzelne Dauerläufe ein paar Kilometer verlängern). Die Leistungsgrenze ist auch Kopfsache: z.B. nach 33 Kilometern zuwenig auf die Zähne gebissen? Auch das kann man im Training bereits mit Grenzgängen üben und visualisieren, auch dazu findest Du zahlreiche Hinweise, Beispiele und Methoden in meinem Großen Laufbuch.

Das wären nur einige, wenn auch wichtige Ansatzpunkte. Ich kenne Dich und Dein Training natürlich nicht. Du selbst kennst Deine Schwachstellen bestimmt am besten und musst also selbst probieren, was etwas bringen könnte, aber bitte nicht alles auf einmal steigern! Übertraining, Verletzung und Erkrankung wäre die Folge! Ein weiterer Aspekt meiner Ferndiagnose: Vielleicht solltest Du in den letzten 4 bis 6 Wochen das viele Radfahren reduzieren und Dich mehr auf das laufspezifische Training konzentrieren. Radfahren ist als Basistraining zwar exzellent, aber je näher der Marathon rückt, desto mehr sollte die wettkampfspezifische Technik in den Vordergrund treten. Darüber hinaus solltest Du natürlich alle anderen Fehler im Training und Rennen selbst und kurz vorher vermeiden. Du schreibst, dass Du Dich an meinen Plänen stark orientierst und die Tempoeinheiten so läufst wie von mir angegeben. Machst Du auch die anderen langen und regenerativen Läufe nach meinen Vorgaben? Die richtige Mischung macht es. Ein Fehler wäre es an den Zwischentagen z.B. zu schnell zu laufen oder Dich mit den Rad platt zu machen.

Manche haben es im Training eigentlich drauf, realisieren es aber am Wettkampftag nicht, was neben dem Kopf auch am ungeübten Untergrund oder sogar am Schuh oder Kleidung usw. liegen kann. Dazu schreibe ich viel und sehr detailliert im Großen Laufbuch. Du könntest auch mal diese Checkliste durchgehen, um eventuell noch andere Fehler oder Schwachstellen zu finden.

Und nun viel Erfolg! Keep on running!

Herbert Steffny

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